Andernach - Jetzt stehen die vier Jungs noch einmal dort, hinter der Absperrung, und können wieder lachen. Aber was den Andernachern in der Nacht auf Dienstag auf dem Krahnenberg passierte, hatte sie in Todesangst versetzt. In finsterer Nacht trafen sie auf eine Wildschweinrotte.
Spiro Grassos (18), Alexander Boldt (19), Sascha Krazeise (18) und Chris Elzer (21) sind Jungs, die nicht unbedingt ängstlich wirken. Sie waren schon gefühlte tausendmal nachts hoch oben über Andernach, um dort die Lichter der friedlich wirkenden Stadt zu betrachten. So auch in dieser Nacht. Kurz zuvor waren sie noch mit ihrer großen alten Clique unterwegs. Es gab Unstimmigkeiten. Da beschlossen die vier, sich vom Rest zu trennen und oben auf dem Krahnenberg zu beraten, wie es weitergehen soll.
Chris Elzer lenkte den Wagen, parkte wie immer auf dem Stellplatz am Café Krahnenburg. Von dort liefen die Kumpels die Steinstufen runter, über einen Trampelpfad gelangten sie zur neu hergerichteten Aussichtsplattform. Der Ausblick ist herrlich. Das Auto stand rund 300 Meter entfernt.
Plötzlich ertönte das Quieken von jungen Schweinchen aus dem Gebüsch. Es raschelte. Spiro Grassos, der große Dunkelhaarige, wich zurück, näherte sich der Brüstung am Berghang. Die anderen drei überlegten, am Gebüsch vorbei Richtung Auto zu rennen. Da drang tiefes Grunzen aus dem Unterholz. Im Nu kletterte Spiro hinter die Brüstung, die anderen rannten und taten es im gleich. Sie atmeten kaum, flüsterten sich leise zu: „Scheiße, was machen wir jetzt?“ Bloß nicht auffallen. Wenn Wildschweine ihren Nachwuchs in Gefahr sehen, können sie sehr aggressiv werden.
Drei mächtige Brocken drängten aus dem Gebüsch, schnüffelten, grunzten. Es war stockdunkel, die jungen Männer wähnten sich am Abgrund. Sie hatten Angst. Was, wenn die Tiere noch näher kommen, durchs Geländer stoßen und sie abstürzen? Spiro Grassos kramte sein Handy hervor und rief bei der Polizei an. Weil er wusste, wie seltsam sein Anruf klingen musste, schickte er ein „Das ist kein Scherz“ voraus. Dann redete er hastig, aber leise weiter, um die Tiere nicht auf sich aufmerksam zu machen: „Wir werden oben auf dem Krahnenberg an der Aussicht von Wildschweinen attackiert. Wir stehen am Abgrund. Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Das ist kein Witz.“ Während Spiros Hände zitterten und auch die anderen laut Alex Boldt „Megaschiss“ hatten, konnten sie sich doch ein kleines Lachen nicht verkneifen. Auch der Polizist lachte – und erkannte dennoch den Ernst der Lage.
Zehn Minuten vergingen. Für die Jungs fühlte es sich wie eine Stunde an. Dann fuhr ein Polizeiwagen vor. Die Schweine zogen sich zurück. Das Grunzen war noch zu hören, aber ein Warnschuss musste nicht abgegeben werden. Die Freunde liefen schnell zum Auto zurück, zogen die Türen zu und lachten erst mal. Auch vor Erleichterung. Für sie ist klar: So schnell werden sie nachts nicht mehr hier herkommen. Denn gegen drei ausgewachsene Wildschweine samt Nachwuchs können auch vier mutige Kerle nichts ausrichten.
Von unserer Redakteurin Katrin Franzen