Wer hat nicht schon einmal davon geträumt zu schweben? Für den Mayener Gymnasiallehrer Michael Sexauer hat sich dieser Traum erfüllt. Im Rahmen des 23. Parabelflugprojektes des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hatten Ende September elf Lehrer aus ganz Deutschland die Chance, dieses besondere Gefühl zu erleben. Die RZ hat den Mayener begleitet.
Michael Sexauer stammt ursprünglich aus dem Badischen und machte Abitur in Achern. Es folgte das Studium der Physik (Diplom) und Mathematik in Karlsruhe. Ab 2002 arbeitete er in einer Schule in Baden-Baden, bevor der heute 42-Jährige im Jahr 2005 ans Megina-Gymnasium in Mayen kam. Dort organisierte der Mathematik- und Physiklehrer in den vergangenen Jahren einige Veranstaltungen zusammen mit dem DLR.
Der bereits bestehende Kontakt zum Forschungszentrum ermöglichte ihm die Teilnahme am Parabelflug. "Es wurden hauptsächlich Personen angeschrieben, die schon mit dem DLR zusammengearbeitet haben", erzählt Sexauer vor seinem Flug. "Für mich als Physiker ist das Ganze äußerst spannend." Die Vorfreude ist ihm anzusehen.
Dem DLR geht es darum, Multiplikatoren zu finden, das sind Menschen, die das Erlebte weitergeben. In diesem Fall haben die Lehrer den Auftrag, ihre Eindrücke an die Schüler zu vermitteln. "Man musste sich offiziell bewerben und angeben, wie man das Erlebnis weiter nutzen wird", erklärt Sexauer. Im März hatte sich der Oberstufenleiter des Megina-Gymnasiums beim DLR beworben. "Und ich habe grünes Licht bekommen", berichtet er.
Sexauer erwartet sich viel von diesem Flug. "Dieses Erlebnis liegt nicht im normalen Erwartungshorizont", erzählt er fasziniert. Auch für den Schulunterricht sieht er einen großen Mehrwert: "Von diesem Ereignis geht viel Faszination aus. So kann man als Lehrer etwas in greifbare Nähe bringen, wofür Schulen keine Mittel haben."
Er verspürt zwar ein leichtes Unbehagen in Hinblick auf die Belastungen während des Flugs, "doch das wird überstrahlt von der Faszination", gibt Sexauer zu.
Für ihn beginnt das Erlebnis am Freitagmorgen. Die elf Lehrerinnen und Lehrer treffen sich zum ersten Mal auf dem Gelände des DLR in Köln-Porz. Nach dem gemeinsamen Mittagessen lernen sie mehrere Experimente kennen, die sie später an Bord durchführen werden.
Dr. Matthias Sperl vom Institut für Materialphysik des DLR präsentiert den Teilnehmern die acht Projekte. "Silly Putty" nennt sich eines dieser Experimente. Es handelt sich um einen sogenannten nicht-newtonschen Stoff, der unter Druckeinfluss erhärtet und bei geringem Druck schmilzt. Die Lehrer werden im Parabelflug zwei Kugeln Silly Putty mit verschiedenen Geschwindigkeiten aufeinander werfen. Weitere Experimente beschäftigen sich mit Seifenblasen oder dem Flugverhalten eines Tablet-PCs.
Am frühen Abend findet sich die Lehrergruppe zur Sicherheitsbelehrung im Hörsaal des DLR ein. Ein Arzt informiert die Lehrkräfte über alle medizinischen Aspekte.
Das Erlebnis rückt näher. Die Teilnehmer sind in zwei Gruppen eingeteilt. Die einen fliegen am Samstag, die anderen am Sonntag. Sexauer trifft sich mit seinen Mitstreitern am Sonntagmorgen am Flughafen Köln/Bonn. Die Gruppe passiert die Sicherheitskontrolle und trifft sich an einem Tisch der kleinen Abflughalle. Michael Sexauer wirkt locker, als er in den blauen DLR-Overall steigt.
Eine Durchsage unterbricht die Runde. Sie kündigt den Beginn der Medikation an. Jeweils zu zweit gehen die Mitfliegenden in einen Raum, wo sie eine Spritze gegen Übelkeit bekommen. Nun wird es langsam ernst. Sexauer kann eine zunehmende Anspannung nicht leugnen: "Ich bin jetzt angespannt, aber erwartungsvoll", sagt er.
Um kurz nach neun Uhr steigen alle Beteiligten in den Shuttlebus, der sie zum Airbus A 300 bringt. Nach letzten Gesprächen steigen die Lehrer winkend die Stufen zum Flugzeug hinauf. Zunächst setzen sich sie sich in die Sitze und warten den Start ab. Schnell erlischt das Anschnallsignal und die Experimentatoren begeben sich in den komplett gepolsterten Bereich des Fliegers. Die erste Parabel steht bevor. Die Lehrer setzen oder legen sich zunächst auf den Boden. Sie müssen sich erst an die Belastungen gewöhnen.
"Pull-up", schallt es durch die Lautsprecher. Jetzt herrscht die 1,8-fache Erdbeschleunigung, das heißt, der eigene Körper fühlt sich fast doppelt so schwer an wie auf dem Erdboden. Mit dem Signal "Injection" beginnt die 22-sekündige Phase der Schwerelosigkeit. Der Körper wiegt vermeintlich nichts mehr, und alle beginnen zu schweben.
Nach wenigen Parabeln hat sich Sexauer an den Vorgang gewöhnt. Er begibt sich an verschiedene Experimente. Doch diese gestalten sich in der Schwerelosigkeit schwieriger als gedacht. Bei der kleinsten Berührung fliegen die Silly-Putty-Kugeln quer durchs Flugzeug.
Nach drei Stunden in der Luft und mehr als zwölf Parabeln kehrt das Flugzeug an die Basis zurück. Die Teilnehmer steigen nach kurzem Warten aus. Fester Boden unter den Füßen scheint sie zunächst zu verwirren.
Michael Sexauer berichtet völlig beeindruckt vom Erlebten: "Man braucht nur mit den Füßen leicht nach oben gehen - und fliegt." Die Belastungen des Flugs sind dem Mayener ins Gesicht geschrieben, dennoch ist er begeistert: "Es war einmalig, einfach unfassbar." Nach dem Mittagsessen enden ereignisreiche Tage für den Mayener. "Es war ein tolles Wochenende, aber jetzt bin ich doch ziemlich fertig", spricht er und tritt die Heimreise an.
Nun wird er seine Eindrücke als Multiplikator an die Mayener Schüler weitergeben. Das Ziel: Interesse an Naturwissenschaften wecken. Dies dürfte nicht allzu schwer werden, denn dieses Erlebnis wird Michael Sexauer sicher nie vergessen.
Patrick Grosse